Zyta Rudzka: Lachen kann, wer Zähne hat

By 23.11. 2025 Bücher

[Dieser Beitrag erschien am 14. November 2025 in leicht abgeänderter Form als Radiokritik in der Sendung Büchermarkt im Deutschlandfunk. Unter diesem Link kann man den Beitrag hören.]

Der Nike-Literaturpreis gilt als die wichtigste literarische Auszeichnung Polens. Viele ehemalige Preisträgerinnen und Preisträger sind auch im deutschsprachigen Raum bekannt und etabliert, so zum Beispiel Joanna Bator, Andrzej Stasiuk oder Olga Tokarczuk. Vor zwei Jahren wurde die 1964 geborene Autorin und Psychotherapeutin Zyta Rudzka mit der Auszeichnung bedacht. Auch sie ist in hiesigen Gefilden keine Unbekannte. Von ihr liegen auf Deutsch die Romane Doktor Josefs Schönste (Amman Verlag, 2009) und Mikwe (Secession, 2014) vor. Die Nike erhielt sie für ihr Buch Lachen kann, wer Zähne hat, das nun in der Übersetzung von Lisa Palmes im Verlag Friedenauer Presse erschienen ist.

Der Roman von Zyta Rudzka beginnt ganz unten, ganz unten bei den Füßen. Denn zu den Füßen ihres verstorbenen Ehemanns wandert der besorgte Blick von Wera, Protagonistin und Ich-Erzählerin von Lachen kann, wer Zähne hat. Karol, den sie aufgrund seiner früheren Profession nur Jockey nennt, hat sich durch den Tod verändert: Sein Körper ist ausgemergelt, die Füße jedoch angeschwollen. Für für seine letzte Reise benötigt er dringend frische „Sargtreter“, wie es im Text heißt. Neue Schuhe sind aber nicht das einzige Problem, mit dem sich Wera nun herumschlagen muss.

Es gilt, eine Beerdigung vorzubereiten und zahlreiche Besorgungen anzustellen. Das ist nicht gerade einfach, wenn das Geld knapp ist. Ihren Friseursalon hat Wera schon vor geraumer Zeit verloren. Das Geschäftslokal wurde versteigert, ein neu-modischer Barbershop erhielt den Zuschlag. Seitdem verbringt Wera ihre Zeit auf dem Basar, bietet dort alles an, was sich irgendwie zu Geld machen lässt. Sämtliche Möbel und Kleidungsstücke haben bereits den Besitzer gewechselt, die gemeinsame Wohnung mit Karol ist fast leergeräumt. Und auch die meisten Freunde haben sich längst verabschiedet, sind verstorben, oder haben ganz bewusst den Kontakt zu Wera und ihrem Ehemann abgebrochen.

„Der Tod ist ne Rampensau. Wenn einer gestorben ist, müssens alle mitkriegen.
Aber ich hab nicht vor, ihm den Gefallen zu tun und mich hinters Telefon zu klemmen. […] Jockey hat Menschen verscheucht wie Pferdebremsen. Auch ich war ihm lästig.“

Zyta RudzkaLachen kann, wer Zähne hat

Das Leben meint es nicht gut mit ihr, doch Wera lässt sich nicht unterkriegen. Sie will kein Opfer sein und schlägt sich durch, mit allen Mitteln der Kunst. Eben das macht auch den Reiz dieses Romans aus, der seine schroffe, gleichzeitig herzliche Protagonistin vom Totenbett ihres Mannes bis zu dessen Begräbnis verfolgt. Sie organisiert Schuhe und Anzug für den Verstorbenen, erschleicht sich Wodka für den Leichenschmaus, feilscht nicht nur mit dem Bestattungsunternehmen, sondern sogar mit der Kirche, um Karol ein ordentliches Begräbnis zu ermöglichen.

Auf ihren Wegen durch die Stadt, erzählt in vielen kleinen Episoden, begegnet Wera Nachbarinnen und ehemaligen Kunden aus dem Herrensalon, aber auch einstigen Liebhabern und Liebhaberinnen, an denen sie kein gutes Haar lässt. Kaltschnäuzig zetert sie gegen alles und jeden, behält stets das letzte Wort. Trauen kann man dieser Erzählerin freilich nicht. Vieles bleibt hier unausgesprochen, auch aus Selbstschutz.

So abgebrüht sie sich auch geben mag, wird in den vielen Erinnerungssplittern, die den Text durchziehen, doch immer wieder deutlich, wie verletzlich Wera im Grunde ist, wie sehr sie unter dem Verlust enger Bezugspersonen und romantischer Beziehungen leidet und mit wie viel Zuneigung und Fürsorge sie auf ihren verstorbenen Ehemann blickt. Dies wohlgemerkt auf die ihr eigene Art und Weise. Und so heißt es über ihr Kennenlernen mit Karol:

„Bei der ersten Verabredung wollte er Eindruck schinden, aber sein Aufzug war einfach penetrant.
Rausgeputzt hatte er sich, ganz in Weiß. Einen Schal, lang wie ’n Zügel, viermal um den Hals gewickelt, kirschrot mit goldenen Hufeisen. Da dachte ich, ich treff nen Sportler, und was seh ich? Einen Provinznuttenboss. Dann gings ans Küssen.“

Zyta RudzkaLachen kann, wer Zähne hat

In dramaturgischer Hinsicht tritt der Roman Lachen kann, wer Zähne hat mitunter auf der Stelle, will nicht so recht vorankommen und verlässt sich womöglich zu sehr auf seine charismatische, kettenrauchende Protagonistin Wera. Diese jedoch ist ein echtes Ereignis. Das hat einerseits damit zu tun, dass Zyta Rudzka eine Figur erschaffen hat, die sich von niemandem den Mund verbieten lässt, als Frau im konservativen Polen genau so lebt, wie sie es für richtig hält, und mit völliger Selbstverständlichkeit sowohl Männer als auch Frauen begehrt. Andererseits – und dieser Punkt ist noch entscheidender – verfügt diese Figur über eine eigenwillige, ungemein einnehmende Sprache.

Es ist der schnoddrig-derbe Ton, der dem Buch seinen spezifischen Charme verleiht und es so lesenswert macht; ein Ton, der auch Obszönitäten nicht scheut. Gerade sexuelle Begegnungen, an denen es hier nicht mangelt, werden deftig und mit besonderer Hingabe geschildert, gern mit Bildern und Metaphern aus dem Reitsport und Friseurgewerbe. Die vielen Anspielungen werden die Übersetzerin Lisa Palmes vor einige Herausforderungen gestellt haben, die sie jedoch mit Bravour gemeistert hat. Palmes ist es zu verdanken, dass sich der Witz und die Fabulierfreude des Originals auch in der deutschsprachigen Fassung wiederfinden.

[Die Photos für diesen Beitrag entstanden in der Nitsch Foundation in Wien. Sie zeigen Objekte der Ausstellung Versöhnung der österreichischen Künstlerin Kata Oelschlägel.]

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