TV-Interviews mit Monika Maron sind schon deshalb eine große Freude, weil die Berliner Autorin zu den wenigen Personen gehört, die im deutschen Fernsehen rauchen. Zumindest eine angebrochene Packung Zigaretten – Corpus delicti des in Ungnade gefallenen Lasters – liegt stets griffbereit in ihrer Nähe. Der Grund ihrer sonoren, knarzenden, kurzum: angenehmen Stimme bedarf somit keiner Erklärung mehr und es kann direkt ums Eigentliche gehen. Also Butter bei die Fische und raus damit: Stille Zeile Sechs (S. Fischer Verlag, 1991) ist das beste Buch von Monika Maron. Punkt.
Auch andere Texte der eigensinnigen Autorin lohnen sich auch heute noch, wie beispielsweise ihr Debütroman Flugasche (1981) oder ihr Nachwende-Roman Animal Triste (1996). Zur Lektüre dieser Werke sei hiermit herzlich eingeladen. Den Zenith ihres literarischen Schaffens aber erreichte sie mit der Stillen Zeile. Keine Widerrede. Das Buch ist ein bitterböser, schrecklich mitreißender Abgesang auf die DDR, in der die Schriftstellerin selbst von 1951 bis 1988 lebte. Kurz vor dem Fall der Mauer hatte sie das Land in Richtung Hamburg verlassen. Nur wenige Jahre später kehrte sie in ihre alte Heimat zurück, ins wiedervereinigte Berlin, wo sie bis heute lebt und in jüngerer Vergangenheit für den ein oder anderen Aufschrei im deutschen Feuilleton sorgt.
”„Vor einem Jahr hatte ich den Mann noch nicht gekannt, nur seinen Namen wie andere Namen, die oft in den Zeitungen standen. Dann war er in mein Leben eingebrochen wie die Pest.“
Monika MaronStille Zeile Sechs
In Stille Zeile Sechs geht es um die Historikerin Rosalind Pokowski, die den ehemaligen Parteifunktionär Herbert Beerenbaum dabei unterstützt, seine Memoiren zu verfassen. Ein Leben in selbstrechten, abgeschmackten Floskeln. Eine reine Auftragsarbeit sollte es für Pokowski werden, ein Gelegenheitsjob. Doch schon nach wenigen Sitzungen wünscht sie dem altersschwachen Bonzen den Tod, den sie sich in wilden Farben und grausamen Bildern ausmalt. Das ist bedrückend und komisch zugleich. Beerenbaum – tattriger Spießer, Opfer im Nationalsozialismus, dann selbst Denunziant im ostdeutschen Realsozialismus – steht symptomatisch für eine gesamte Vätergeneration, mit der die Ich-Erzählerin hier süffisant abrechnet. All dies, ohne sich dabei selbst zu schonen. Pokowski ist nicht selbstgerecht, hinterfragt sich auch selbst immer wieder. Ein Schlüsselroman, der ganz klar autobiographische Züge aufweist. Marons Stiefvater Karl Maron (1903-1975) war ein hochrangiger SED-Funktionär, von 1955 bis 1963 sogar Innenminister der DDR. In Stille Zeile Sechs wird er erneut zu Grabe getragen, Leichenschmaus inklusive.