Ulrich Plenzdorf: Die neuen Leiden des jungen W.

Von 21.10. 2018 März 4th, 2020 Bücher
Tino Schlench - Literaturpalast - Ulrich Plenzdorf - Die neuen Leuden des jungen W.

Wenn sich ein Buch bereits im Titel so explizit auf Goethes Werther bezieht wie Die neuen Leiden des jungen W. (1973) von Ulrich Plenzdorf, dann lässt sich schon erahnen, dass das Ganze kein gutes Ende nehmen wird. Warum also die Lesenden noch lange auf die Folter spannen? Eben. Der Roman setzt ein mit einer Notiz aus der Berliner Zeitung, in der der tödliche Unfall eines Jugendlichen am Weihnachtsabend vermerkt ist, der „bei Basteleien unsachgemäß mit elektrischem Strom umgegangen“ sei. Traueranzeigen ehemaliger Arbeitskollegen und der Mutter des Protagonisten folgen. Edgar Wibeau mag tot sein, doch hält ihn dieser Umstand nicht davon ab, seine Geschichte selbst zu erzählen. Wenn auch nur aus dem jenseitigen Off und nicht immer vertrauenswürdig. Dafür in schönster 70er Jahre Jugendsprache, die die Dinge beim Namen nennt: „Mit mir war nicht die Bohne was los. Ich war bloß irgend so ein Idiot, ein Spinner, ein Angeber und all das.“ Teenage Angst made in Ost-Berlin!

Ergänzt wird die Perspektive des Siebzehnjährigen durch Gespräche seines Vaters (zu dem er lange keinen Kontakt mehr hatte) mit engen Vertrauten seines Sohnes, sowie durch Tonbandaufzeichnungen, in denen Edgar nonchalant aus dem Werther zitiert. Dieser wird ihm neben Salingers Holden Caulfield (Der Fänger im Roggen) zur zentralen Identifikationsfigur. Dass es sich beim Werther um einen Briefroman von Johann Wolfgang Goethe handelt, weiß er jedoch nicht. Denn Deckel, Titelseite und Nachwort des aufgelesenen Reclam-Heftes landeten irgendwann im Plumpsklo einer Wohnlaube in Berlin Lichtenberg. In diese Laube flüchtete der ehemalige Musterschüler, nachdem er seine Lehre in der fiktiven Kleinstadt Mittenberg geschmissen hatte. „Popte einfach nicht mehr!“ Zu allem Übel verliebt er sich dann auch noch unglücklich in die Kindergärtnerin Charlie, die bereits verlobt ist. Und zwar ausgerechnet mit einem Dieter! Leute, das musste einfach böse enden…

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