Davit Gabunia: Farben der Nacht

Von 03.11. 2019 September 2nd, 2020 Bücher

3,9 Megabyte. Das ist die Größe der Bild-Datei, die für diesen Beitrag hochgeladen wurde. Für heutige Datenträger natürlich überhaupt kein Problem. Mit einem Smartphone oder einer neuen Kamera lassen sich Hunderte von Photos und Videos aufnehmen. Der Speicherplatz moderner Gadgets ist nahezu beliebig erweiterbar. Zur Not hilft eben die Cloud. Gefährliches Halbwissen ist unser Metier, zudem verfügen über die notwendige Technik.

Sollten wir also wirklich auf die irrsinnige Idee kommen, unseren Nachbarn aus der gegenüberliegenden Wohnung – in die wir dank Festbeleuchtung und fehlender Vorhänge einen hervorragenden Einblick haben – systematisch über mehrere Wochen auszuspionieren, dann würden wir es wohl einfach tun. Was hält uns davon ab? Wir haben Zeit und Gelegenheit: Die Kinder sind versorgt, die Frau ist aus dem Haus und wir gehen momentan keiner geregelten Arbeit nach. Beste Voraussetzungen! Lenken wir uns also für einen Moment von der Tristesse unserer eigenen Existenz ab!

„Wozu will ich eigentlich Fotos von denen? Egal, ich schieße einfach drauflos, wer weiß, wofür sie mal gut sind. Die Kamera hat ein gutes Objektiv, einen ordentlichen Zoom.“

Davit GabuniaFarben der Nacht

Und nun stellen wir uns einmal vor, wir würden beim Ausspähen des Nachbarn skandalöse Begebenheiten beobachten, wie es der Figur Surab in Farben der Nacht (Rowohlt Verlag, 2018) des georgischen Autors Davit Gabunia passiert. Na da würden wir doch dranbleiben! Vor allem, weil uns das Liebesspiel der zwei ungleichen Männer gegenüber ordentlich aus der Bahn wirft und unser eigenes Begehren ein bisschen zu sehr in Frage stellt.

Und dann – während wir uns immer weiter unseren voyeuristischen Trieben hingeben – beobachten wir durch die Kameralinse einen Mord. Aus der Entfernung können wir nicht eingreifen, aber abdrücken, das geht. Wir knipsen und knipsen. Wir halten alles fest. Doch was fangen wir jetzt mit unserer inkriminierenden Materialsammlung an? Die sollten wir natürlich der Polizei übergeben, klar. Aber wir sind eben ziemlich durcheinander. Darüber hinaus brauchen wir einen Job, denn so langsam geht uns das Geld aus. Daher entscheiden wir uns mal so eben für das Mittel der Erpressung. Mal was Neues wagen!

Die Fülle an Photos und Videos, die wir bis dahin zusammengetragen haben, packen wir auf eine einzelne Diskette, die eine maximale Speicherkapazität von etwa 3,25 Megabyte aufweist und im Jahr 2012 – dem Handlungszeitraum des Romans – kaum noch Verwendung fand. Natürlich! Und mit diesem Logikfehler ist leider alles gesagt: Farben der Nacht entwickelt in seinen besten Momenten zwar einen gewissen Drive, bleibt durch die vielen Lektorats- und Übersetzungsfehler, die schludrige Figurenzeichnung, die plumpen Dialoge und abgedroschenen Sprachbilder aber letztlich völlig farblos.

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