Der im deutschsprachigen Raum nahezu unbekannte tschechische Autor Jiří Mahen (1882-1939) war in allen literarischen Genres beheimatet. Er schrieb Gedichte, Theaterstücke und Prosawerke und arbeitete zudem als Dramaturg, Dozent und Bibliothekar. Darüber hinaus war er als Journalist für verschiedene anarchistische und sozialistische Zeitschriften ein aktives Mitglied der Kunst- und Literaturszene in Prag. Im Jahr 1910 zog es ihn jedoch in die Stadt Brno, deren kulturelles Leben er nachhaltig beeinflussen sollte und deren Stadttheater seit 1965 seinen Namen trägt.
”„Das menschliche Leben und der menschliche Tod – die wir jeden Tag und immer in neuer Form und neuer Gestalt sehen – gleichen sich seit Jahrhunderten! Deshalb wird uns zuweilen die Ewigkeit eine Szene aus jener Welt vorspielen, damit uns die Eintönigkeit unter den Sternen nicht zu sehr beengt.“
Jiří MahenDer Mond
Mahens Kunstfertigkeit über die Genregrenzen hinaus zeigt sich auch in seinem melancholischen Text Der Mond. Eine Phantasie, der erstmals 1920 veröffentlicht wurde und nun in der Übersetzung von Eduard Schreiber – versehen mit Illustrationen von Valeria Gordeew – erstmals auf Deutsch vorliegt (Guggolz Verlag, 2016). Das schmale Buch, das bei Erscheinen zunächst auf Unverständnis stieß und erst Jahre später für seine poetische Kraft und Musikalität gepriesen wurde, besteht aus dreißig kurzen Prosa-Stücken – entsprechend der Anzahl an Tagen, die der Mondphasenzyklus in Anspruch nimmt.
Eine Handlung im konventionellen Sinne gibt es nicht. Stattdessen stellen die einzelnen Episoden lyrisch-märchenhafte Dialoge des Mondes mit einem Gesprächspartner auf der Erde dar, der hier vor allem als Zuhörer in Erscheinung tritt. Er lauscht den Erzählungen des Mondes, der gleich am Anfang unterstreicht: „Fast alle meine Bemerkungen werden nichts anderes als phantastische Anekdoten sein.“ Diese widmen sich der Monotonie des Daseins und der verzweifelten Suche nach einem Sinn und verlangen den Lesenden einiges ab. Denn es sind ingeniöse, voraussetzungsreiche und gleichsam politische Miniaturen, wie das hilfreiche (aber etwas zu kurze) Nachwort des Übersetzers verdeutlicht. Mit Mahen betreten wir die Feinkostabteilung der Literatur. Nicht jeder Gaumen wird diese Horsd’œuvre zu schätzen wissen. Zu ungewohnt ist ihr Geschmack.